Eigene Forschungen

Donnerstag, 16. Mai 2013

LIEBESGRÜSSE AUS FERNOST


WONDER WOMEN
Philippinen, USA 1973

Regie:
Robert Vincent O'Neill

Darsteller:
Ross Hagen,
Nancy Kwan,
Vic Diaz,
Joonee Gamboa,
Sid Haig,
Maria de Aragon,
Roberta Collins,
Tony Lorea



Für Freunde anspruchsloser Action-Unterhaltung ist es längst kein Geheimnis mehr: Hat man es mit einer Gemeinschaftsproduktion der USA mit den Philippinen zu tun, steigt die Wahrscheinlichkeit, einen echten B-Kracher vor sich zu haben, exponentiell in die Höhe. In den 70er Jahren wurde das südostasiatische Inselarchipel von amerikanischen Billigfilmern geradezu überrannt, die dort, für schmales Geld und einen Koffer voller Pyrotechnik, ein fetziges Gute-Laune-Vehikel nach dem nächsten fabrizierten. Die Voraussetzungen waren denkbar günstig, boten die Philippinen doch nicht nur eine traumhaft schöne Kulisse und enorm billige Arbeitskräfte, sondern dazu auch Behörden, die ein Wort wie „Sicherheitsbestimmungen bei Medienproduktionen“ noch nicht mal im Ansatz buchstabieren konnten. So entstanden – völlig losgelöst von den starren Konventionen der hollywood'schen Traumfabrik – von halsbrecherischen Stunts durchzogene, inhaltlich zum Teil hoch abstruse Nonsens-Spektakel, denen keine Story zu dünn und keine Idee zu unsinnig erschien. Auch in Sachen Nacktheit und Brutalität nicht geizend, bereitete man dem geneigten Bahnhofskinogänger auf diese Weise etliche höchst vergnügliche Stunden, in welchen spontane Begeisterungsausbrüche nicht unbedingt auszuschließen waren.

Wer diese Worte nicht versteht oder gar glauben kann, dem sei LIEBESGRÜSSE AUS FERNOST ans zweifelnde Herz gelegt. Der schwindelerregend haarsträubende Agenten-Science-Fiction-Action-Cocktail ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, mit welch hemmungsloser Verrücktheit die Macher zur Not von Leder zogen, um ihr Publikum bei Laune zu halten.

Inhalt:

In Südostasien verschwinden seit einiger Zeit immer wieder berühmte Spitzensportler spurlos. Eine britische Versicherungsgesellschaft vermutet einen großangelegten Betrug hinter der Sache und schickt ihren Agenten Mike Harper auf den Inselstaat, um den Fall zu untersuchen. Dieser tappt zunächst im Dunkeln, doch ein Hinweis des zwielichtigen Informanten Won-Ton Charlie [Joonee Gamboa] (von Harper in bemerkenswerter Konsequenz „Wonne-Tonne“ genannt) schickt ihn schließlich auf die Spur der attraktiven Linda [Maria de Aragon]. Diese, so findet er bald heraus, arbeitet für die verbrecherische Chinesin Dr. Tsu [Nancy Kwan], die ihre ganz eigenen Moralvorstellungen hegt.

Kritik:

Bauklötze staunend und von massiven Heiterkeitsanfällen durchgeschüttelt, begleitet man als Zuschauer fassungslos die Reise des Hauptprotagonisten (von Ross Hagen zweckdienlich als Charmeur im bewährten James-Bond-Stil angelegt) und wird ent- und begeisterter Zeuge der erquickenden Vielzahl an Merkwürdigkeiten, die dabei seinen Weg kreuzen: Eine verrückte Chinesin, die in einem geheimen Labor verbotene Experimente durchführt, eine Horde nymphomaner Killer-Ladys, die mit MP und Minirock zum Angriff bläst, eine Maschine, die Sex-Strahlen aussendet, und zombieähnliche Mutanten (u. a. ein Maximalpigmentierter mit Blaulicht auf der Birne), die menschenmeuchelnd durch die Landschaft taumeln.

Bar jeder Plausibilität und Realitätshaftung präsentiert sich LIEBESGRÜSSE AUS FERNOST als anarchistische Achterbahnfahrt ausgemachter Albernheiten, die jedweden Anflug von Logik bereits im Ansatz mühelos erstickt: Da wird der Held von allen Seiten gleichzeitig unter Feuer genommen, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen. Eine Ladung aus des Helden Rohr hingegen entfacht halbe Infernos, lässt Fahrzeuge zerbersten, deren Insassen in Flammen aufgehen und hinterlässt gerade mal noch verbrannte Erde. Und sollte die Action doch mal pausieren in diesem wüsten Konglomerat aus Knalleffekten, Keilerei und Kesseljagden, so beginnt die weibliche Belegschaft in der Regel damit, ihre nackte Haut in die Kamera zu halten (was auch dramaturgisch nun nicht unbedingt zwingend notwendige Striptease-Nummern mit einschließt). Die Einblicke können sich dabei durchaus sehen lassen, die Damenriege - vom Klischee-Blondchen zum afrofrisierten Pam-Greer-Verschnitt - wurde sehr vorausschauend und mit Bedacht auf eine gewisse Qualität gecastet.

Ist der Unterhaltungsfaktor bis hierhin ohnehin bereits von kaum zu überbietendem Kaliber, verpasste man WONDER WOMEN (Originaltitel) zu guter Letzt noch eine deutsche Synchronfassung, bei welcher sich die Spucke noch mal zusätzlich verabschiedet: Rainer Brandt, damals die erste Adresse für Schnodderdeutsch im Kneipenjargon, steuerte dem Geschehen eine unfassbar politisch unkorrekte Tonspur bei, die einem die Sprüche quasi im Sekundentakt um die Ohren schlägt. Das geht von einfach nur blöden Dialogen („Sind Sie Amerikaner?“ - „Eigentlich bin ich Schwabe, aber sagen Sie’s nicht weiter!“) über sexistische („Ich bin ein anständiges Mädchen.“ - „Du kannst doch ‚anständig‘ nicht mal buchstabieren, du altes Ferkel!“) bis hin zu rassistischen („Sieh dir das an, mein gelblicher Freund!“) und passt zu dem schamlosen Leinwand-Treiben wie der berühmte Arsch auf den noch berühmteren Eimer.

Ross Hagen [→ DIE INSEL DER RIESEN-DINOSAURIER] in der Hauptrolle macht seine Sache gut, stiefelt als charmanter Sunnyboy mit amüsiertem Grinsen durch das banale Szenario und genießt die Hahn-im-Korb-Situation. Ihm zur Seite steht Vic Diaz, der als schlitzohriger Taxifahrer das komplette Gegenteil seiner Rolle als schmieriger Zuhälter aus dem im selben Jahr entstandenen FRAUEN IN KETTEN verkörpert. Nancy Kwan [→ DRAGON – DIE BRUCE-LEE-STORY] ist ebenfalls gut besetzt, agiert und wirkt als Dr. Tsu genauso, wie man sich eine verbrecherische Chinesin vorstellt. Fast schon obligatorisch für einen Beitrag dieser Art ist das Mitwirken von B-Film-Ikone Sid Haig [→ COFFY], der seine Hackfresse auch hier mal wieder mit hämischem Dauergrinsen in die Kamera halten darf.

Handwerklich gibt es nichts zu mäkeln, die Ereignisse wurden zwar kostensparend, doch solide umgesetzt: Die Optik stimmt, die Action geriet rasant, und die Stuntmen schoben Überstunden. Ein paar schöne Zeitlupenaufnahmen gibt’s gratis dazu und für den Rest sorgt die attraktive Kulisse. Lediglich über die Kampfchoreographie hätte man nochmal jemanden drüberschauen lassen sollen, der sich mit so etwas auskennt, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. LIEBESGRÜSSE AUS FERNOST ist eine Perle des Bahnhofskinos, die auch auf AUSTIN POWERS ungemein inspirierend gewirkt haben dürfte. Zwischen Exploitation und eigener Parodie entspinnt sich eine grandiose Unterhaltungsbombe, deren deutsche Fassung noch mal zusätzlich Zunder gibt. Fazit: Ein ausgemachtes Freudenfest für jeden trashaffinen Freund des abseitigen Leinwandspektakels. Und alle so: Yeaahh!!

Laufzeit: 73 Min. / Freigabe: ab 18

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